Spanien schlittert in Regierungskrise - Sanchez lässt Amtsgeschäfte ruhen

Reuters · Uhr

Madrid (Reuters) - Spanien gerät in politische Turbulenzen und könnte auf Neuwahlen zusteuern.

Auslöser ist die Ankündigung von Ministerpräsident Pedro Sanchez, seine Amtsgeschäfte einige Tage ruhen zu lassen. Zuvor hatte ein Gericht die Einleitung von Vorermittlungen gegen dessen Ehefrau Begoña Gomez angekündigt. Dabei soll geprüft werden, ob sie sich bei privaten Geschäften der Korruption schuldig gemacht habe. Der Sozialist Sanchez, der eine von Regionalparteien gestützte Minderheitsregierung anführt, will am Montag bekanntgeben, ob er im Amt bleibt. Zwar könnte das Parlament bei einem Rücktritt einen neuen Regierungschef wählen, erklärte der Politikwissenschaftler Lluis Orriols von der Universität Carlos III in Madrid. Angesichts der zersplitterten Mehrheitsverhältnisse seien jedoch Neuwahlen wahrscheinlicher.

An der spanischen Börse sorgte ein solches Szenario für keine Turbulenzen: Der spanische Leitindex stieg am Donnerstag im frühen Handel um 0,2 Prozent. Die Rendite der zehnjährigen spanischen Staatsanleihe blieb unverändert bei 3,38 Prozent.

Sanchez hatte am Mittwochabend in einem per Kurznachrichtendienst X veröffentlichten Brief wissen lassen, dass er "innehalten und nachdenken" müsse. "Ich brauche dringend eine Antwort auf die Frage, ob es sich lohnt (...), ob ich die Regierung weiterführen oder auf diese Ehre verzichten soll."

FLUGGESELLSCHAFT IM FOKUS

Sanchez sprach von schweren Angriffen aus dem rechten Lager, die er und seine Frau ausgesetzt seien. Diese erforderten eine besonnene Reaktion. Seine Frau werde mit den Ermittlern zusammenarbeiten und zeigen, dass sie unschuldig sei. In dem Brief griff Sanchez auch den Oppositionsführer Alberto Nuñez Feijoo von der Volkspartei (PP) und Santiago Abascal von der rechtsextremen Vox-Partei an. Er erklärte, sie hätten mit denjenigen "kollaboriert", die die Vorwürfe gegen seine Frau verbreiteten. Die Prüfung des Gerichts gehe auf eine Anzeige der Gruppe Manos Limpias - "saubere Hände" - zurück. Diese wirft Sanchez' Ehefrau vor, während ihrer Zeit als Leiterin eines afrikanischen Forschungszentrums an der Madrider IE Business School bis 2022 Gefälligkeiten von der Fluggesellschaft Air Europa und deren spanischen Holding Globalia angenommen zu haben: Dies geht aus einem siebenseitigen Dokument hervor, das der Radiosender Cadena Ser auf seiner Website veröffentlicht hat.

IE erklärte in einer Stellungnahme, nie finanzielle Unterstützung von Globalia oder seinen Tochtergesellschaften erhalten zu haben. Globalia antwortete am Mittwoch nicht auf eine Bitte von Reuters um Stellungnahme. Manos Limpias hat sich den Kampf gegen Korruption verschrieben. Ihre Führung hat Verbindungen ins rechte Lager.

Sanchez gilt als politisch risikofreudig. Voriges Jahr rief er Neuwahlen aus, nachdem seine Sozialistische Arbeiter-Partei (PSOE) bei den Regionalwahlen schlecht abgeschnitten hatte. Bei den vorgezogenen Wahlen im Juli wurde die PSOE hinter der PP zwar nur zweitstärkste Kraft. Sanchez bildete jedoch eine Minderheitsregierung, die von kleineren regionalen Parteien mitgetragen wurde. Dafür nahm Sanchez eine Amnestie für katalanische Separatisten in Kauf, die in Spanien umstritten ist.

Am Donnerstag hätte Sanchez den Wahlkampf der Sozialisten für die Regionalwahlen in Katalonien eröffnen sollen, die am 12. Mai anstehen. Dort versucht seine Partei, den separatistischen Parteien, die seit 2015 in der Region herrschen, die Macht zu entreißen.

(Bericht von Aislinn Laing und Belen Carreño; Geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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