Russland rückt im Nordosten der Ukraine vor

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Kiew/Moskau (Reuters) - Die russischen Truppen rücken in der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine weiter vor.

Das ukrainische Militär räumte am Dienstag ein, seine Soldaten hätten sich angesichts massiver russischer Luftangriffe auf neue Stellungen im Dorf Lukjanzi zurückziehen müssen. Die Lage in der umkämpften Stadt Wowtschansk sei aber unter Kontrolle. Die Zahl der russischen Angriffe im nördlichen Teil der Region Charkiw sei deutlich zurückgegangen, hieß es im täglichen Lagebericht des ukrainischen Militärs. Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes GRU, Kyrylo Budanow, sagte im Fernsehen, die Lage in der Region sei dabei, sich zu stabilisieren. Allerdings werde Russland in den kommenden Tagen seine Truppen dort weiter verstärken. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete, Teile im Westen und Norden von Wowtschanks seien unter die Kontrolle der russischen Truppen gefallen. Die Kämpfe in den Straßen der Stadt hielten an.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in Kiew bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken, sein Land brauche jetzt zwei Luftabwehrbatterien vom Typ Patriot für Charkiw. Bei der Luftabwehr gebe es das größte Defizit. "Zivilisten, Soldaten, alle - sie sind unter russischem Raketenbeschuss." Selenskyj dankte zugleich den USA für die militärische Hilfe. Blinken sagte bei seinem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt, die neue Waffenlieferung seines Landes für die Ukraine komme bereits an. Weitere Lieferungen würden folgen. "Das wird einen Unterschied machen", sagte Blinken.

Die russischen Streitkräfte hatten am Freitag eine neue Offensive in der Region Charkiw begonnen und am Wochenende nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau mehrere Dörfer erobert. Bei erneuten Angriffen auf die gleichnamige Stadt Charkiw am frühen Dienstagmorgen wurden nach Angaben der örtlichen Behörden vier Menschen verletzt. Dabei handele es sich um drei Frauen und einen Mann, teilte Regionalgouverneur Oleh Synjehubow auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Die russischen Truppen hätten die zweitgrößte ukrainische Stadt mit neuen nachgerüsteten hochpräzisen Lenkbomben aus der Sowjetzeit attackiert, die Marschflugkörpern ähneln.

In der Nacht zu Dienstag hatte das ukrainische Militär nach eigenen Angaben alle 18 von Russland abgefeuerten Angriffsdrohnen abgefangen. Die Drohnen seien über mehreren Regionen abgeschossen worden, unter anderem über der Region Kiew und den östlichen Regionen an der Front, teilte die Luftwaffe auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit.

Zugleich meldete Russland einen erneuten ukrainischen Luftangriff auf seine Grenzregion Belgorod. Dabei seien in der gleichnamigen Regionalhauptstadt etwa zwei Dutzend Häuser und eine Stromleitung beschädigt worden, teilte der Gouverneur der südrussischen Region, Wjatscheslaw Gladkow, über den Kurznachrichtendienst Telegram mit. Eine Frau habe eine Schrapnellverletzung an der Wirbelsäule erlitten. Die Luftabwehr habe 25 Raketen über der Region abgeschossen, die von der Ukraine aus von Mehrfachraketenwerfern abgefeuert worden seien, teilt das Verteidigungsministerium in Moskau mit.

ANGRIFFE AUF BELGOROD - ZUG IN WOLGOGRAD ENTGLEIST

Die Ukraine hat die Angriffe auf Belgorod in jüngster Zeit verstärkt. Dabei wurden am Sonntag nach russischen Angaben 15 Menschen getötet, als Teile eines Wohnblocks einstürzten, nachdem das Gebäude von Trümmern abgeschossener Raketen getroffen worden war. Die Ukraine will nach eigenen Angaben mit den Angriffen die Infrastruktur zur Versorgung der russischen Invasionstruppen treffen und spricht von einer Reaktion auf die zahllosen russischen Luftangriffe auf ihr Territorium.

In der südrussischen Oblast Wolgograd, die anders als Belgorod nicht an die Ukraine grenzt und weiter im Landesinneren liegt, haben russischen Behörden zufolge Unbekannte einen Güterzug zum Entgleisen gebracht. Durch einen Eingriff von Unbefugten seien die Waggons eines Güterzugs im Bahnhof Kotluban entgleist, teilte die russische Bahn mit. Nach ersten Informationen sei niemand verletzt worden. Ein Dieseltank und einige mit Holz beladene Waggons seien in Brand geraten, meldete die staatliche Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das Zivilschutzministerium. Russischen Medienberichten zufolge entgleiste der Zug infolge eines ukrainischen Drohnenangriffs. Die Ukraine äußerte sich zunächst nicht dazu. Sie hat aber nach eigenen Angaben mehrfach Sabotageanschläge auf die russische Bahn verübt, um die Nachschublogistik für die russischen Invasionstruppen auch weit entfernt von den Front zu stören.

(Bericht von: Guy Faulconbridge, Simon Lewis, Yuliia Dysa, Olena Harmash; geschrieben von Sabine Ehrhardt, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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