Tschechischer Milliardär steigt bei Thyssen-Stahlsparte ein

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Düsseldorf (Reuters) - Mit dem Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky will Thyssenkrupp seine seit langem kriselnde Stahlsparte stabilisieren.

Kretinskys an diversen Energiekonzernen beteiligte Gesellschaft EPCG soll zunächst 20 Prozent der Anteile am Stahlgeschäft übernehmen, wie Thyssenkrupp am Freitag überraschend mitteilte. Ziel sei ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem die beiden Partner jeweils 50 Prozent der Anteile halten. "Der Einstieg von EPCG vereinigt das führende Werkstoff-Knowhow von Thyssenkrupp Steel Europe mit der Energieexpertise von EPCG". Die bei Thyssenkrupp stark vertretene Gewerkschaft IG Metall reagierte verärgert über die kurzfristige Ankündigung.

Über die Konditionen der Transaktion vereinbarten beide Parteien Stillschweigen. Die Analysten von Baader bezifferten die möglichen Einnahmen für das Paket auf 350 bis 400 Millionen Euro. An der Börse kam der Einstieg Kretinskys gut an. Die seit Monaten schwächelnde Aktie von Thyssenkrupp legte zeitweise mehr als elf Prozent zu.

"Unser Ziel ist ein Zukunftskonzept, das zu wirtschaftlicher Selbstständigkeit und unternehmerischem Erfolg von Thyssenkrupp Steel führt, den Anforderungen des Klimaschutzes entspricht, betriebsbedingte Kündigungen vermeidet und eine breite Akzeptanz findet", sagte Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez. "Die Vereinbarung über den Erwerb der 20-prozentigen Beteiligung an Thyssenkrupp Steel Europe ist ein erster Schritt auf dem geplanten Weg zu einer umfassenderen strategischen Partnerschaft", fügte Kretinsky hinzu. Die Transaktion solle noch im laufenden Geschäftsjahr 2023/24 (per Ende September) abgeschlossen werden.

ZUSTIMMUNG VON DER KRUPP-STIFTUNG - IG METALL VERÄRGERT

Als strategischer Partner werde EPCG mit dafür sorgen, dass das Joint Venture ausreichend mit Energie, Wasserstoff, Grünstrom und weiteren Energierohstoffen versorgt werde, kündigten die Partner an. Der Selfmade-Milliardär Kretinsky ist als Investor im Energie-Geschäft groß geworden. Aktuell hält er in Europa zahlreiche Beteiligungen in verschiedenen Branchen - von Handelsunternehmen wie Metro über Medien-Konzerne bis hin zur Logistik.

Die Krupp-Stiftung, die mit rund einem Fünftel der Anteile größter Einzelaktionär des Ruhrkonzerns ist, begrüßte die Pläne. "Die Stiftung hat großes Vertrauen in den Vorstand um Miguel Lopez und ist weiterhin von dem Potenzial des Unternehmens überzeugt, wieder wettbewerbs- und dividendenfähig zu werden."

Die Arbeitnehmervertreter fühlten sich überrumpelt. "Die Nachricht über den Einstieg von EPCG kommt überraschend", sagte der zweite Vorsitzende der IG Metall und stellvertretende Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp, Jürgen Kerner. Die Mitbestimmung habe nur wenige Stunden vor der Öffentlichkeit von der Entscheidung erfahren. "Das ist kein guter Stil und kein guter Start." Es müsse jetzt schnell ein tragfähiges Zukunftskonzept für den weiteren Umbau Richtung grünen Stahl geben – und endlich die Rückkehr zum Respekt vor der Mitbestimmung. "Andernfalls ist der Konflikt programmiert."

Der größte deutsche Stahlkocher hatte zuletzt angekündigt, Kapazitäten abbauen und Jobs streichen zu wollen. Für Dienstag haben der Betriebsrat und die IG Metall zu einer Versammlung in das Stadion des MSV Duisburg eingeladen. Sie rechnen damit, dass eine Vielzahl der rund 27.000 Stahlarbeiter teilnehmen werden.

Der Schwerindustrie mit Branchengrößen wie ArcelorMittal und Salzgitter machen seit Jahren hohe Energie- und Rohstoffkosten und die Konkurrenz aus Fernost zu schaffen. Der Branche kommt auch wegen des hohen CO2-Ausstoßes eine Schlüsselrolle bei der Energiewende in Deutschland zu. Sie zählt zu den größten Luftverschmutzern des Landes. Der Bund und das Land NRW beteiligen sich an den Kosten einer neuen, klimafreundlichen Produktionsanlage mit rund zwei Milliarden Euro. Die Bundesregierung erwartet durch den neuen Investor bei Thyssenkrupp keine Kursänderung bei der Transformation hin zu grünem Stahl. "Wir haben auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dadurch der eingeschlagene Weg zur Dekabonisierung des Unternehmens infrage gestellt wird", sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin.

Nicht zuletzt wegen der starken Abhängigkeit von der Konjunkturentwicklung und den dadurch schwankenden Einnahmen hatte der Konzern die Stahltochter immer wieder zur Disposition gestellt. Ein geplantes Joint Venture mit dem Konkurrenten Tata Steel Europe scheiterte ebenso wie ein Verkauf an Liberty Steel.

(Bericht von Elke Ahlswede, Matthias Inverardi, Christian Krämer, Tom Käckenhoff, Christoph Steitz, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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