IW - Arbeitslosigkeit in Deutschland steigt auf höchsten Stand seit 2015

Reuters · Uhr

Berlin (Reuters) - Die Konjunkturflaute in Deutschland schlägt sich zunehmend auf den Jobmarkt nieder.

Die Arbeitslosigkeit dürfte im Durchschnitt dieses Jahres auf knapp 2,8 Millionen steigen und damit auf den höchsten Stand seit 2015, wie aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht, die der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorlag. "Im vergangenen Jahr war der Arbeitsmarkt recht stabil, trotz Rezession", sagte IW-Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer. "Doch in diesem Jahr bekommen wir die Folgen der Wirtschaftskrise stärker zu spüren."

Das werde sich stärker am Jobmarkt zeigen. "Die Beschäftigungspläne der Unternehmen lassen für den weiteren Jahresverlauf kein Wachstum erwarten", heißt es in der Analyse. Auch bestimmte Frühindikatoren sorgen für wenig Anlass zu Optimismus. "So fiel die Zahl der neu gemeldeten offenen Stellen im März auf den niedrigsten Stand der letzten fünf Jahre." Selbst bei einem günstigen Konjunkturverlauf sei für dieses Jahr bestenfalls mit einem geringen Anstieg der Erwerbstätigkeit zu rechnen. "Weil geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter erreichen, besteht aber Ersatzbedarf und die Fachkräftelücke schließt sich kaum." Eine erlahmende Arbeitskräftenachfrage und fortgesetzter Fachkräftemangel schließen sich demnach nicht aus.

"Die Zurückhaltung der Betriebe bei Neueinstellungen verschlechtern die Chancen von Arbeitsuchenden, eine passende Stelle zu finden." In der Folge steige die Arbeitslosigkeit weiter. "Im vierten Quartal ist zu erwarten, dass sogar der Stand aus der Krise in der Corona-Pandemie im Jahr 2020 übertroffen wird", erklärte das arbeitgebernahe IW. Im Jahresschnitt müsse mit fast 2,8 Millionen Arbeitslosen und einer Quote von sechs Prozent gerechnet werden. Dies sei aber weniger als der Höchststand 2005, als knapp 4,9 Millionen Menschen arbeitslos waren und Deutschland auch aufgrund seines "verkrusteten Arbeitsmarktes als kranker Mann Europas galt".

Andere Wirtschaftsforschungsinstitute hatte zuletzt in ihrem Frühjahrsgutachten für die Bundesregierung für 2024 nur knapp 2,7 Millionen Arbeitslose erwartet. Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft. Obwohl weniger Güter und Dienstleistungen produziert wurden, stieg die Zahl der Erwerbstätigen um 340.000 oder 0,7 Prozent.

Auch die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden stieg um 250 Millionen Stunden oder 0,4 Prozent. Dies führen die IW-Fachleute unter anderem darauf zurück, dass Firmen dazu neigen, Fachkräfte zu halten, auch wenn sie aktuell nicht ganz ausgelastet werden können. Hintergrund sei hier das demografisch zu erwartende Verknappen des Arbeitskräfteangebotes. Dies könnten Unternehmen aber wohl nur bei kurzen konjunkturellen Durststrecken durchhalten. "Bei fortschreitender Dauer der Schwächephase ist mit zunehmender Wahrscheinlichkeit mit einer Anpassung des Personalbestandes zu rechnen, weil dauerhafte Produktivitätsrückgänge die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen untergraben."

Die Schaffung einer nennenswerten Zahl neuer Jobs habe 2023 nicht ausgereicht, um die Arbeitslosigkeit zu senken, erklärte das IW. Vielmehr gab es ein Plus von 190.000. Grund sei auch eine hohe Nettozuwanderung. Bereits 2022 gab es demnach einen Wanderungssaldo von 1,5 Millionen Personen, darunter eine Million Geflüchtete aus der Ukraine. 2023 seien in den ersten elf Monaten weitere 650.000 Personen netto zugewandert.

(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Christian Rüttger Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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