Bundestag beschließt neues Klimagesetz - Druck auf Verkehr nimmt ab

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- von Markus Wacket

Berlin (Reuters) - Der Bundestag hat das heftig umstrittene entschärfte Klimaschutzgesetz beschlossen.

Nach monatelangen Diskussionen verabschiedete das Parlament mit Stimmen der Ampel-Fraktionen am Freitag das Gesetz, mit dem vor allem der Druck auf Verkehrs- sowie Gebäudesektor abnimmt. Beide hatte ihre Vorgaben wiederholt verfehlt. Im neuen Gesetz sind die verpflichtenden, jahresscharfen Obergrenzen beim Treibhausgas-Ausstoß für die einzelnen Sektoren abgeschafft. Klimaschutz-Nachbesserungen muss es nur noch geben, wenn Deutschlands Gesamtziel in Gefahr gerät. Dies wird 2026 erstmals wieder geprüft, so dass die jetzige Regierung keine neuen Beschlüsse mehr fassen muss. Umweltgruppen zeigten sich empört: "Ein Schlag ins Gesicht junger Menschen", erklärte etwa die Deutsche Umwelthilfe. Das Gesetz sei verfassungswidrig, man prüfe rechtliche Schritte.

Deutschland insgesamt hatte für 2023 zwar sein Klimaziel unter anderem wegen der Wirtschaftsschwäche erreicht. Mit Blick auf kommende Jahre gilt dies aber keinesfalls als sicher. Gebäude- und vor allem Verkehrssektor hätten nach bisheriger Gesetzeslage bereits Sofortprogramme auflegen müssen, um wieder auf Kurs zu kommen. Vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg war Deutschland bereits verurteilt worden, da die zuständigen Minister diese nicht umgesetzt hatten. Im Fokus steht dabei vor allem Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP, die besonders auf die Gesetzesänderung drängte. Eine Reform war bereits im Koalitionsvertrag angelegt.

Erst vor zwei Wochen hatte sich die Ampel-Koalition verständig, nachdem um den Entwurf von Klimaminister Robert Habeck neun Monate gerungen wurde. Die Grünen verteidigten das Ergebnis im Bundestag: "Es war ein Kompromiss", räumte Fraktionschefin Katharina Dröge ein, betonte aber: "Dieses Land ist erstmals in der Lage, das Klimaziel für 2030 einzuhalten. Wir schaffen das." Bei der Abstimmung im Bundestag gab es allerdings eine Reihe von Ampel-Abgeordneten, die nicht zustimmten oder Protokollerklärungen abgaben. Darunter auch der frühere Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.

SPD-Vize-Fraktionschef Matthias Miersch verwies darauf, dass Klimaschutz gesellschaftlich akzeptiert werden müsse. "Wir brauchen die Flexibilität der Sektoren." Zudem werde durch das neue Gesetz kein Gramm mehr CO2 ausgestoßen.

Nach den neuen Regelungen können Sektoren wie Verkehr, die ihre Ziele nicht erreicht haben, ihre Emissionen mit anderen Bereichen wie Industrie oder Energie verrechnen, wenn diese besser abgeschnitten haben. Das wäre zwar auch nach jetzigem Gesetz möglich, zuvor hätten die zuständigen Minister für ihren Bereich aber ein Sofortprogramm vorlegen müssen. Erst wenn diese nicht die erwartete Wirkung zeigten, wäre ein Ausgleich zulässig gewesen.

AUCH UNION SPRICHT VON ENTKERNUNG DES KLIMASCHUTZGESETZES

Die Linke und die Union kritisierten das Gesetz scharf. "Es ist eine Entkernung des Klimaschutzgesetzes. Sie nehmen ihm die Verbindlichkeit", sagte Unions-Vize-Fraktionschef Andreas Jung. Mit Hilfe der Grünen würden Dinge in die Zukunft verschoben.

Im Einzelnen soll es künftig statt einer jahresscharfen Beurteilung jedes einzelnen Sektors wie Energie, Industrie, Gebäude oder Verkehr nur noch eine Gesamtanalyse geben. Alle zwei Jahre soll überprüft werden, ob Deutschland insgesamt mit Blick auf sein Klimaziel 2030 auf Kurs ist. Zusätzliche Programme werden nur aufgelegt, wenn dies in der Zweijahresbetrachtung - erstmals 2026 - nicht der Fall ist.

Als Problem für Deutschland könnte sich erweisen, dass die EU die Sektoren Verkehr, Gebäude oder Landwirtschaft weiter gesondert betrachtet. Verfehlen Staaten hier ihre Ziele, wie es Deutschland droht, sind Strafzahlungen fällig, die in kommenden Jahren in die Milliarden gehen könnten.

Umweltverbände sprachen von einem Schlag gegen den Klimaschutz: "Das Klimaschutzgesetz wurde dem Ampel-Frieden geopfert. Damit steht Deutschland jetzt ohne wirksames Gesetz da, um Klimaschutz in nötigem Umfang sicher zu stellen", sagte BUND-Chef Olaf Bandt. Wie die Deutsche Umwelthilfe prüft auch die DUH eine Verfassungsklage. Die Aktivisten von "Fridays for Future" demonstrierten vor dem Reichstag: Die Regierung mache sich lächerlich und gefährde die Zukunft der Jugend.

(Redigiert von Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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