Kolumne

Die fast 100-jährige Unsicherheit

Heiko Böhmer · Uhr

Ein Blick auf Österreichs 100-jährige Anleihe und warum Aktien doch die bessere Wahl sind.

Quelle: Pla2na/Shutterstock.com

Was lange läuft, wird schlussendlich gut. So könnte man beim Blick auf wirklich langlaufende Anleihen meinen. Ein krasses Beispiel in dieser Kategorie ist die 100-jährige Anleihe der Republik Österreich. Sie kam 2020 auf den Markt und war vom österreichischen Staat mit einem damals üppigen Zinskupon von 0,7 Prozent ausgestattet worden. 

Zum Start Ende Juni war das Interesse an der ungewöhnlichen Anleihe sehr groß. Kein Wunder: damals notierten weltweit Anleihen mit einem Volumen von mehr als 15 Billionen Dollar im negativen Bereich – sie wiesen also Minuszinsen aus. 

Zuerst verschwanden die Minuszinsen. Dann kamen die Renditen zurück. Aktuell erleben wir einen Zinshöhepunkt bei den Anleihen. Zweijährige US-Anleihen haben vor wenigen Tagen die Renditemarke von fünf Prozent überschritten. Bei der immer noch inversen Zinskurve bekommen Investoren also für kurzlaufende Anleihen höhere Renditen als für länger laufende Anleihen. 

Der Absturz der 100-jährigen Österreich-Anleihe 

In der Vergangenheit war diese ungewöhnliche Konstellation ein fast untrügliches Signal für eine bevorstehende Rezession. Gut möglich, dass es auch dieses Mal wieder so sein wird.

Doch zurück zur 100-jährigen Anleihe aus Österreich. Bei der hat es ein wahres Kursdebakel gegeben. Vor gut drei Jahren wurde die Anleihen auf den Markt gebracht. Das Interesse war riesig. Der Kurs der Anleihe kletterte in der Spitze auf 133. Im Zuge der Zinswende ist der Kurs abgestürzt – auf zuletzt nur noch 33. Das sind ohne Frage Kurse, die man sonst nur bei Papieren von Staaten kurz vor dem Bankrott sieht.

Griechenland-Anleihen notierten zum Höhepunkt der Euro-Krise auf diesem Niveau und kurzzeitig sogar darunter. Daran ist das Misstrauen ablesbar: Ist der österreichische Staat noch die nächsten 97 Jahre in der Lage, diese Anleihe auch wirklich zu bedienen?

Bei meiner kurzen Österreich-Reise in dieser Woche, mit Investoren-Treffen in Graz, Wien und Linz, kam das Gespräch immer wieder auf diese Anleihe. Tatsächlich hat Österreich damit viele Schlagzeilen gemacht und macht sie noch. 

Anleihen bringen wieder höhere Renditen 

Fakt ist: Aktuell gibt es wirklich wieder attraktive Renditen bei Staatsanleihen und das sogar aus Ländern mit hoher Bonität. Viele Pensionskassen setzen genau darauf und nehmen gerne Renditen von fünf Prozent und mehr mit. Das mag kurzfristig sogar ein lohnender Ansatz sein. 

Doch wer als Privatinvestor langfristig ein Vermögen aufbauen will, der kommt um Aktien einfach nicht herum. Nur zur Einordnung: Von 1928 bis 2021 hat der marktbreite S&P 500-Aktienindex eine Rendite von knapp 8,5 Prozent pro Jahr gebracht und das mit allen massiven Schwankungen und Abstürzen in dieser enorm langen Zeit.

Dennoch gilt: Aktien bleiben der wichtigste Baustein für den Vermögensaufbau 

Zwischen 2012 und 2021 wurden Investoren sogar verwöhnt mit einer durchschnittlichen Jahresrendite von mehr als 15 Prozent. Doch hier kommt meine Warnung dazu. Diese Renditen am breiten Aktienmarkt werden wir so bald nicht wiedersehen. Hier haben wir zwischen 2012 und 2021 klar eine Ausnahmesituation erlebt.

Sehr wahrscheinlich ist eher eine Rückkehr zu den normalen Renditen im Bereich um acht Prozent oder sogar darunter. Und in einem solchen Umfeld kommt der Aktienselektion eine zentrale Bedeutung zu. Dennoch bleiben Aktien als Investment die erste Wahl und Anleihen sollten eher nur als Beimischung dienen – dann aber mit kurzen Laufzeiten von unter fünf Jahren. 97 Jahre Restlaufzeit, wie bei der österreichischen Anleihe, sind definitiv keine gute Wahl. 

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